Pläne der Ampelkoalition | Darauf müssen Arbeitgeber sich jetzt einstellen

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Eini­ge Plä­ne der neu­en Bun­des­re­gie­rung sind im Koali­ti­ons­ver­trag noch vage for­mu­liert, ande­re Neue­run­gen im Arbeits­recht dürf­ten sich schon bald auf die täg­li­che Pra­xis aus­wir­ken. Klar ist: Die Arbeits­welt soll moder­ner wer­den. Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er fin­det aber auch Bekennt­nis­se zu bewähr­ten Instru­men­ten, die Arbeit­ge­bern wei­ter­hin Spiel­raum las­sen.

SPD, Grü­ne und FDP haben am 24. Novem­ber 2021 ihren Koali­ti­ons­ver­trag „Mehr Fort­schritt wagen – Bünd­nis für Frei­heit, Gerech­tig­keit und Nach­hal­tig­keit“ vor­ge­stellt. Das Papier beschäf­tigt sich auch mit Maß­nah­men, die die neue Bun­des­re­gie­rung  im Bereich des Arbeits­rechts plant. Das über­ge­ord­ne­te Ziel: die Arbeits­welt moder­ni­sie­ren.

Das recht aus­führ­li­che Papier, das eher poli­ti­sche als recht­li­che Wir­kung ent­fal­tet, for­mu­liert im Wesent­li­chen gemein­sa­me Zie­le, auf die die Regie­rungs­par­tei­en sich geei­nigt haben. Die Umset­zung ist Sache des par­la­men­ta­ri­schen Gesetz­ge­bers, vie­le Details und damit auch zwi­schen den Par­tei­en strei­ti­ge Punk­te wer­den sich erst im Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren zei­gen.

Als sicher dürf­te aber gel­ten, dass Arbeit­ge­ber sich in den kom­men­den Jah­ren mit den Anfor­de­run­gen des sich wan­deln­den Arbeits­markts beschäf­ti­gen müs­sen. Fle­xi­ble­re Arbeits­zeit­mo­del­le, mobi­les Arbei­ten und mehr digi­ta­le Zugän­ge für Betriebs­rä­te und Gewerk­schaf­ten sol­len All­tag in Unter­neh­men wer­den. Doch nicht alles soll sich ändern, die Koali­ti­on bekennt sich zu Zeit­ar­beit und Werk­ver­trä­gen. Und auch an der Befris­tung ohne Sach­grund will die neue Regie­rung nicht grund­sätz­lich rüt­teln.

Zwischen Flexibilität und Arbeitszeiterfassung à la EuGH   

Fle­xi­ble­re Arbeits­zeit­mo­del­le sind ein erklär­tes Ziel des Koali­ti­ons­ver­trags, die Ampel-Par­tei­en schei­nen es aber behut­sam ange­hen zu wol­len. Im Rah­men von Tarif­ver­trä­gen soll es zunächst befris­tet mög­lich wer­den, Arbeits­zei­ten fle­xi­bler zu gestal­ten. Auch Abwei­chun­gen von der Tages­höchst­ar­beits­zeit wer­den rea­li­sier­bar.

Dar­über hin­aus will die Regie­rung prü­fen, wel­chen Anpas­sungs­be­darf es hin­sicht­lich der Recht­spre­chung des Euro­päi­schen Gerichts­hofs zum Arbeits­zeit­recht gibt. Der EuGH hat­te im Jahr 2019 ent­schie­den, dass Arbeit­ge­ber ver­pflich­tet sind, ein objek­ti­ves, ver­läss­li­ches und zugäng­li­ches Sys­tem zur Erfas­sung der Arbeits­zeit von Arbeit­neh­mern ein­zu­rich­ten (EuGH, Urt. v. 14.05.2019, Az: C‑55/18). Die Regie­rung bekennt sich hier­bei aber zumin­dest dazu, dass fle­xi­ble Arbeits­zeit­mo­del­le wie auch die Ver­trau­ens­ar­beits­zeit wei­ter­hin mög­lich sein müs­sen. Kon­kre­ti­siert wer­den die Plä­ne der Koali­ti­on noch nicht.

Ein „Erörterungsanspruch“ auf Homeoffice

Das erklär­te Ziel des alten und neu­en Bun­des­ar­beits­mi­nis­ters Huber­tus Heil (SPD), Arbeit­neh­mern mehr mobi­les Arbei­ten zu ermög­li­chen, dürf­te in die­ser Legis­la­tur­pe­ri­ode prä­zi­siert wer­den. Mobi­les Arbei­ten soll EU-weit unpro­ble­ma­tisch mög­lich wer­den, das Home­of­fice „als eine Mög­lich­keit der  mobi­len Arbeit“ will die Bun­des­re­gie­rung wohl aus dem Anwen­dungs­be­reich der Arbeits­stät­ten­ver­ord­nung her­aus­neh­men. Damit wird den Arbeit­ge­bern zumin­dest ein Punkt abge­nom­men, der bei der Home­of­fice­tä­tig­keit immer wie­der zu Pro­ble­men führt.

Einen direk­ten Anspruch auf Home­of­fice soll es wei­ter­hin nicht geben. Arbeit­neh­mer, deren Tätig­kei­ten sich dafür eig­nen, sol­len aber einen Anspruch dar­auf bekom­men, über ihren Wunsch nach mobi­ler Arbeit und Home­of­fice mit dem Arbeit­ge­ber zu spre­chen („Erör­te­rungs­an­spruch“). Wider­spre­chen kön­nen Arbeit­ge­ber laut dem Koali­ti­ons­ver­trag nur dann, wenn betrieb­li­che Belan­ge ent­ge­gen­ste­hen.  Die Ableh­nung dür­fe nicht „will­kür­lich oder sach­fremd“ sein.  Es bleibt zu hof­fen, dass die Recht­spre­chung die Anfor­de­run­gen an die betrieb­li­chen Belan­ge nicht über­dehnt.

Höherer Mindestlohn, sachgrundlose Befristungen und Arbeitnehmerüberlassung

Der Min­dest­lohn soll auf Euro 12,00 pro Stun­de stei­gen. Ent­spre­chend wird dann auch die Gren­ze für Mini­jobs von bis­her Euro 450,00 auf zukünf­tig Euro 520,00 pro Monat ange­ho­ben. Die Gren­ze für Midi­jobs soll eben­falls ange­passt wer­den.

Es bleibt mög­lich, Arbeits­ver­trä­ge auch ohne Sach­grund zu befris­ten.  Die für den öffent­li­chen Dienst wich­ti­ge Mög­lich­keit der Haus­halts­be­fris­tung (§ 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG) wird aller­dings gestri­chen. Arbeits­ver­trä­ge beim sel­ben Arbeit­ge­ber, die mit Sach­grund befris­tet wur­den, sol­len auf maxi­mal sechs Jah­re begrenzt wer­den, die Frist darf nur in Aus­nah­me­fäl­len über­schrit­ten wer­den. Wann ein sol­cher Aus­nah­me­fall vor­lie­gen soll, lässt der Koali­ti­ons­ver­trag noch offen.

Die Koali­ti­on bekennt sich grund­sätz­lich zur Zeit­ar­beit und zu Werk­ver­trä­gen. Sie möch­te den Schutz von Beschäf­tig­ten bei grenz­über­schrei­ten­den Ent­sen­dun­gen ver­bes­sern und büro­kra­ti­sche Hür­den abbau­en. Sai­son­be­schäf­tig­te sol­len ab dem ers­ten Tag ihres Ein­sat­zes den vol­len Kran­ken­ver­si­che­rungs­schutz bekom­men.

Keine Flucht aus Tarifverträgen und Mitbestimmung

Die Tarif­au­to­no­mie, die Tarif­part­ner und die Tarif­bin­dung sol­len gestärkt wer­den. Dafür will die Bun­des­re­gie­rung auch die öffent­li­che Auf­trags­ver­ga­be des Bun­des an die Ein­hal­tung „eines reprä­sen­ta­ti­ven Tarif­ver­tra­ges der jewei­li­gen Bran­che“ bin­den, die Ver­ga­be soll auf einer „ein­fa­chen, unbü­ro­kra­ti­schen Erklä­rung“ beru­hen.

Eine „Flucht“ aus Tarif­ver­trä­gen will die Koali­ti­on ver­hin­dern. Ver­sucht ein Unter­neh­men, ohne Eigen­tü­mer­wech­sel Betrie­be aus­zu­glie­dern, um sich aus der Tarif­bin­dung zu zie­hen,  soll es dann wei­ter­hin dem ursprüng­lich gel­ten­den Tarif­ver­trag unter­lie­gen.

Der Koali­ti­ons­ver­trag beschäf­tigt sich auch mit der betrieb­li­chen Mit­be­stim­mung. Betriebs­rä­te sol­len selbst ent­schei­den kön­nen, ob sie ana­log oder digi­tal arbei­ten, Gewerk­schaf­ten einen Anspruch auf digi­ta­len Zugang zum Betrieb erhal­ten.

Bei der Mit­be­stim­mung wol­len die Ampel-Par­tei­en ver­hin­dern, dass Unter­neh­men Mit­be­stim­mungs­rech­te miss­bräuch­lich umge­hen. Sie wol­len sich „dafür ein­set­zen, dass die Unter­neh­mens­mit­be­stim­mung so wei­ter­ent­wi­ckelt wird“, dass Unter­neh­men Mit­be­stim­mungs­rech­te nicht mehr durch einen Wech­sel in eine Euro­päi­sche Akti­en­ge­sell­schaft „voll­stän­dig ver­mei­den“ kön­nen (SE) .

Schließ­lich soll die gesetz­li­che Ren­te gestärkt wer­den. Der Bei­trags­satz wird in der Legis­la­tur­pe­ri­ode nicht über 20 % stei­gen, auch Ren­ten­kür­zun­gen oder eine Anpas­sung des gesetz­li­chen Ren­ten­ein­tritts­al­ters soll es nicht geben.

Dr. Chris­ti­an Oster­mai­er ist Part­ner bei SNP Schla­wi­en Part­ner­schaft mbB berät Unter­neh­men aller Grö­ßen, meist mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, sowie deren Gesell­schaf­ter in allen Fra­gen des Gesell­schafts­rechts, ins­be­son­de­re auch bei Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, und des Arbeits­rechts, hier u.a. zu betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­gen, wie dem Abschluss von Betriebs­ver­ein­ba­run­gen. Dane­ben berät Dr. Oster­mai­er lei­ten­de Ange­stell­te, Geschäfts­füh­rer und Vor­stän­de. Er ver­fügt über umfang­rei­che Erfah­rung in den Berei­chen Bio­tech­no­lo­gie, Soft­ware, Han­del und Ver­si­che­run­gen.
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