Herrn Barbulescu war von seiner Firma wegen Vertragsbruchs gekündigt worden, weil er trotz eines ausdrücklichen Verbots über die betriebliche IT private E‑Mails mit seiner Verlobten und seinem Bruder getauscht hatte. Dies war bei einer umfassenden Kontrolle der E‑Mail-Konten aufgefallen. Die E‑Mails enthielten pikante Details, u. a. zum Gesundheitszustand und Sexualleben des Herrn Barbulescu. Nicht nur der Arbeitgeber, auch Kollegen nahmen Kenntnis vom Inhalt der E‑Mails. Die Klage gegen die Kündigung wurde abgewiesen. Auch eine Beschwerde zum EGMR wegen Verstoßes gegen Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens – blieb erfolglos.
Der EGMR betonte, dass der Kläger nicht damit rechnen durfte, dass seine E‑Mails privat bleiben würden, schließlich war vom Arbeitgeber kurz zuvor angekündigt worden, dass der E‑Mail-Verkehr kontrolliert würde. Das Kontrollinteresse des Arbeitgebers überwiege. Dieser habe außerdem davon ausgehen dürfen, nur auf geschäftliche E‑Mails zuzugreifen. Auch sei der Arbeitnehmer ordnungsgemäß angehört worden.
Der Fall hat sich in Rumänien zugetragen. Ob das BAG ebenfalls einer Arbeitgeberkündigung in diesem Fall seinen Segen erteilt hätte, ist fraglich:
Die deutsche Rechtsprechung misst dem Arbeitnehmer-Datenschutz eine hohe Bedeutung bei. Unabhängig von der Frage, ob ein Arbeitgeber, der einen E‑Mail-Account zur Privatnutzung zur Verfügung stellt, auch dem Fernmeldegeheimnis nach § 88 Telekommunikationsgesetz unterliegt, ist jedenfalls das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom Arbeitgeber zu beachten. Danach ist eine Datenerhebung und –verarbeitung nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer eingewilligt hat, §§ 4 Abs. 1, 4a BDSG, oder, nach § 32 BDSG, soweit dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Die Datenerhebung muss also zu den genannten Zwecken geeignet und erforderlich sein. Zudem dürfen keine überwiegenden Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen. Im vorliegenden Fall könnte mit guten Gründen ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das BDSG bejaht werden: Eine hinreichend konkrete Einwilligung im Sinne von § 4a BDSG dürfte wohl eher nicht vorgelegen haben. Und die Art und Weise der Kontrolle dürfte kaum als „mildestes, verhältnismäßiges Mittel“ durchgehen. Dennoch wäre wohl nicht mit einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der rechtswidrig erlangten Informationen zu rechnen: Das LAG-Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25. November 2014, AZ.: 8 Sa 363/14) hat ein solches Beweisverwertungsverbot z. B. bei einer rechtswidrigen Einsichtnahme in einen dienstlich genutzten Kalender, der auch die Eintragung privater Termine technisch ermöglichte, verneint. Dies insbesondere deshalb, weil der Arbeitnehmer mit einer Einsichtnahme rechnen musste, z. B. im Vertretungsfall. So lag auch der Fall des Herrn Barbulescu.
Letztlich dürfte die Kündigung dennoch am allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip scheitern: Soweit sich der zeitliche Umfang der privaten Beschäftigung in einem vertretbaren Rahmen hält, wird wohl nur eine Abmahnung in Frage kommen. In einer extremen Fallkonstellation hat das LAG Niedersachsen (Urteil vom 31. Mai 2010, AZ.: 12 Sa 875/09) jedoch eine außerordentliche Kündigung für zulässig erachtet: Dort hatte ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mindestens 7 Wochen arbeitstäglich mehrere Stunden mit privaten E‑Mail-Verkehr verbracht. Für seine Arbeitsleistung hatte er faktisch kaum noch Zeit.
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