In den Achtzigern machte sich die Oma Sorgen um den Opa, der „heimlich in die Fabrik eindringt, um dort eine Sonderschicht einzulegen und so das „Bruttosozialprodukt“ zu steigern (Geiersturzflug).
Was damals ironisch gemeint war, ist heute insofern Realität geworden, als immer mehr Altersrentner weiterhin einer bezahlten Tätigkeit nachgehen — sei es, weil sie darin eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sehen, sei es, weil sie aus ökonomischen Gründen dazu gezwungen sind.
Der wohl überwiegende Teil von Arbeitsverhältnissen endet automatisch mit dem Eintritt in das Regelrentenalter, weil der Arbeitsvertrag oder ein Tarifvertrag eine entsprechende Befristung vorsehen. Eine solche Befristung wird vom Bundesarbeitsgericht auch für rechtlich zulässig (§ 14 Abs.1 TzBfG) erachtet, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft das Recht zum Bezug einer rentenmäßigen Versorgung erworben hat (BAG, Urteil vom 18. Januar 2017, Az.: 7 AZR 236/15). Denn dann überwiegt das Recht des Arbeitgebers an einer berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Letztlich kann so eine ausgewogene Altersstruktur in der Belegschaft gefördert werden und schließlich hat auch der betroffene Arbeitnehmer früher bei seinen Aufstiegschancen davon profitieren können, dass ältere Mitarbeiter ausgeschieden, also Stellen frei geworden sind. Eine unzulässige Diskriminierung wegen Alters liegt darin nicht (vgl. § 10 S. 3 Nr. 5 AGG).
Wie aber, wenn sich eine Person, die das Rentenregelalter bereits überschritten hat, auf eine Stelle bewirbt? Darf die Personalabteilung die Bewerbung außen vor lassen, nur weil für die ausgeschriebene Stelle ein Tarifvertrag anzuwenden ist, der eine entsprechende Befristung auf das Renteneintrittsalter vorsieht?
Das LAG Niedersachsen (Urteil vom 1. August 2018, Az.: 17 Sa 1302/17) ist der Auffassung: nein! Die verklagte Arbeitgeberin konnte mit ihrem Argument, das Arbeitsverhältnis würde wegen der Befristung auf das Rentenregelalter nach § 33 Abs. 1 a TVöD unmittelbar nach Abschluss ohnehin sofort wieder enden, und zwar ohne dass es zur Durchführung käme, nicht durchdringen.
Beworben hatte sich ein 71-Jähriger auf eine Stelle als „Hauswirtschaftliche/r Anleiter/in“. Ihm wurde jedoch mitgeteilt, dass man leider keine Rentner einstellen könne. Seine Bewerbung war also schon vorab aussortiert worden. Auf seine Klage hin sprach ihm das LAG Niedersachsen deshalb ein Bruttomonatsgehalt als Entschädigung wegen unzulässiger Altersdiskriminierung zu (§ 15 Abs. 2 AGG). Der Kläger habe jedenfalls einen Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren – unabhängig von dessen Ausgang. § 33 Abs. 1a TVöD verbiete es keineswegs, Menschen, die das Regelrentenalter bereits erreicht oder überschritten haben, neu einzustellen. Andere denkbare Gründe für eine Ungleichbehandlung des Rentners habe die beklagte Arbeitgeberin nicht vortragen können. Die Arbeitgeberin hätte den Kläger also nicht unbedingt einstellen, ihm aber zumindest eine Chance im Bewerbungsverfahren geben müssen.
Das LAG Niedersachsen hat dankenswerterweise die Revision zugelassen. Es wäre wünschenswert, wenn das BAG hierzu eine Entscheidung erlassen würde, um das Spannungsverhältnis zwischen Befristung und Neueinstellung in den einschlägigen Fällen zu klären. Bis dahin sind Arbeitgeber gut beraten, Bewerber im Rentenalter zumindest zum Vorstellungsgespräch einzuladen, um etwaige Entschädigungsforderungen nach dem AGG zu vermeiden.
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