Wenn die Zielvorgaben für Arbeitnehmer zu spät kommen, können diese ihre Ziele nicht mehr erfüllen – und damit auch den vereinbarten Bonus nicht bekommen. Gleich mehrere Gerichte haben Unternehmen, die Zielvorgaben zu spät im Geschäftsjahr machten, verurteilt: Sie müssen Schadensersatz zahlen, als hätte der Mitarbeiter die Ziele zu 100% erfüllt.
Wer die Ziele des Unternehmens nicht nur verfolgt, sondern auch erreicht, bekommt einen Bonus – solche Zielvorgaben, die bei Erreichung mit Zahlungen verknüpft sind, gehören auch in deutschen Unternehmen zum Alltag. Doch in unserer Beratungspraxis zeigt sich häufig, dass zwar eine Bonusvereinbarung geschlossen und die Festlegung von Zielvorgaben im Arbeitsvertrag vereinbart wird, dann aber die Ziele unterjährig gar nicht oder erst sehr spät vorgegeben oder vereinbart werden.
Über solche verspäteten Zielvorgaben urteilten in den vergangenen Monaten gleich mehrere Landesarbeitsgerichte (LAG). In diesen Fällen gab es also Zielvorgaben für die Mitarbeiter, diese wurden ihnen aber erst sehr spät kommuniziert. Das kann, so das LAG Köln sowie das LAG Nürnberg in gleich drei Fällen, erhebliche Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer nach sich ziehen, und zwar vor allem dann, wenn deren Bonuszahlung an das Erreichen bestimmter Unternehmensziele anknüpft. Auch wenn es bei den entschiedenen Fällen um Unternehmensziele ging, muss dies umso mehr für Abteilungs- oder individuelle Ziele der Mitarbeiter gelten.
In allen Fällen klagten Arbeitnehmer auf Schadensersatz, weil ihre Arbeitgeber die für das jeweilige Geschäftsjahr relevanten Unternehmensziele verspätet festgelegt hatten. Dies hatte zur Folge, dass die Arbeitnehmer die Ziele nicht mehr sinnvoll erreichen konnten und somit keine Bonuszahlungen erhielten.
LAG Köln und Nürnberg: Schadensersatz in Höhe von 100% Bonus
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschied am 6. Februar 2024 (Az. 4 Sa 390/23), dass eine Zielvorgabe erst Mitte Oktober zu einem so späten Zeitpunkt im Geschäftsjahr (hier: Ende am 31.12.) komme, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr erfüllen könne. Deshalb sei sie, so die Kölner Arbeitsrichter, als nicht erfolgt zu behandeln.
Der Kläger, ein ehemaliger Head of Advertising, hatte Anspruch auf eine variable Vergütung, die von der rechtzeitigen Erreichung bestimmter Ziele abhing. Laut seinem Arbeitsvertrag und der Betriebsvereinbarung sollten diese Ziele bis spätestens zum 1. März des Kalenderjahres festgelegt und mit ihm besprochen werden. Die Unternehmensziele erst im September zu veröffentlichen und dem Arbeitnehmer die konkreten Ziele erst Mitte Oktober vorzugeben, bedeute, dass das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen war. Dadurch verlor die Zielvorgabe ihre wesentliche Funktion, den Mitarbeiter zu motivieren und seine Leistung zu steigern.
Das LAG Köln Gericht stellte fest, dass der Arbeitgeber durch die verspätete Festlegung der Ziele seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt habe. Es unterstellte, dass gar keine Ziele vereinbart wurden und sprach dem Arbeitnehmer mehr als 16.000 Euro Schadensersatz zu — basierend auf der Annahme, dass er bei rechtzeitiger Vorgabe die Ziele zu 100% erreicht hätte.
Ähnlich urteilte auch das LAG Nürnberg gleich in drei Entscheidungen (LAG Nürnberg, Urt. v. 11.04. 2024, Az.: 5 Sa 296/23; Urt. v. 24.04. 2024, Az.: 2 Sa 293/23; Urt. v. 26.04.2024, Az.: 8 Sa 292/23). Auch die Richter in Nürnberg urteilten, dass der Arbeitgeber Schadensersatz in Höhe des vollen Bonus zahlen muss, wenn eine Zielvorgabe entgegen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung zu spät erfolgt, sodass sie keine sinnvolle Anreizfunktion mehr erfüllt. Auch hier wurde die späte Veröffentlichung der Unternehmensziele bemängelt, die erst gegen Ende des Geschäftsjahres kommuniziert wurden.
Empfehlungen für Arbeitgeber
Verspätete Zielvorgaben beeinträchtigen nicht nur die Motivation der Mitarbeiter, sondern bergen auch erhebliche finanzielle Risiken für Arbeitgeber bergen. Eine sorgfältige und rechtzeitige Zielvorgabe ist daher nicht nur eine Frage der Fairness, sondern auch des unternehmerischen Risikomanagements. Arbeitgeber sollten ihre Prozesse diesbezüglich überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um rechtlichen Auseinandersetzungen und möglichen Schadensersatzforderungen vorzubeugen. Dabei gilt es drei wichtige Regeln zu beachten:
1. Frühzeitige Zielvorgabe:
Stellen Sie sicher, dass die Unternehmensziele rechtzeitig festgelegt und kommuniziert werden. Je früher im Geschäftsjahr die Vorgabe erfolgt, umso sicherer ist das für den Arbeitgeber; in jedem Fall wird die Zielvorgabe im ersten Quartal des Geschäftsjahres erfolgen müssen.
2. Klare Regelungen im Arbeitsvertrag:
Der Arbeitsvertrag sollte klare Regelungen, bis wann die Zielvorgabe erfolgt, enthalten, um Missverständnisse zu vermeiden. Der Arbeitgeber muss sich dann aber auch an diese Frist halten.
3. Dokumentation:
Dokumentieren Sie die Festlegung und Kommunikation der Ziele sorgfältig, um im Streitfall nachweisen zu können, dass Sie Ihren Pflichten nachgekommen sind.
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